Wer Top-Talente in Zukunft an sein Unternehmen binden möchte, muss die Führungskräfte schulen. Denn sie werden Dreh- und Angelpunkt für die Zufriedenheit in Unternehmen sein

7200 Fachkräfte fehlen. Allein in deutschen Flughäfen, wohlgemerkt, wie kürzlich vom Institut der deutschen Wirtschaft berechnet. Mag der Flugbetrieb noch zu jenen Branchen gehören, die aufgrund der Pandemie besonders gelitten und Anlass zum Jobwechsel geboten haben, illustrieren die Zahlen doch einen beachtlichen Trend: Danach gefragt, ob sie derzeit einen Fachkräfteengpass erleben, bejahen das zwei Drittel der Entscheider:innen in Unternehmen, das ergab eine Befragung für die Bertelsmann Stiftung.

Das marktwirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage versetzt daher die Top-Talente in absolute Verzückung. Mehr denn je suchen sie sich ihre Arbeitgeber:innen aus, mehr denn je geben sie die Leitplanken und Wünsche für die Ausgestaltung ihrer Tätigkeiten vor. Für Unternehmen ist diese Situation herausfordernd, aber nicht hoffnungslos. Vor allem aber erfordert sie eines: ein Umdenken bei den Führungskräften.

Was Top-Talente wollen, fordert Führungskräfte heraus

Wo die neuen Spielregeln der Talentakquise bereits angekommen sind, ist im Tech-Umfeld. Seit Jahren schon lechzen deutsche Unternehmen nach Tech-Talenten und stellen fest, dass es nur mit mehr Geld und einem Kickertisch nicht getan ist. Diese Talente wollen inspiriert werden in ihrem Umfeld, wollen kreativ sein und ausprobieren, wollen sich weiterentwickeln und das weltweit – auch mit Blick auf Arbeitszeit und -ort. Interessant ist, dass dieser Trend altersunabhängig ist. Diese Forderungen werden nun auch in anderen Branchen jenseits der Tech-Welt laut. Das Besondere: Diese Forderungen zielen direkt oder mittelbar auf die Qualifikationen und das Know-how von Führungskräften.

Nehmen wir das Beispiel der kreativen Freiheit, die Tech-Talente zunehmend fordern. Autonomie zu ermöglichen und Vertrauen zu schenken lässt sich viel leichter sagen, als es getan ist. Es erfordert von Führungskräften tatsächlich loszulassen und Mitarbeitende Entscheidungen treffen zu lassen, die man selbst vielleicht anders getroffen hätte. Und es erfordert den Mut, auch das Scheitern zuzulassen. Denn dieses Scheitern sorgt für neue Erkenntnisse, langfristig sogar für Innovationen. Die Forschung lehrt uns, dass sogar in der Ungewissheit und im Zufall Innovationspotenziale stecken – das sind Gedankengänge, die zugegebenermaßen in etablierten Unternehmen erstmal skeptisch betrachtet wurden, aber dadurch noch lange nicht falsch sind, im Gegenteil.

Auch in der Praxis reift immer mehr die Erkenntnis: Innovation entsteht durch Diversität und Inklusion. Das zeigte bereits vor Jahren eine groß angelegte Studie. Die Herausforderung ist allerdings, nicht nur die Diversität ins Unternehmen zu bringen, sondern auch die Kompetenz für deren Einbindung; es braucht Inklusionskompetenz. Zur Aufgabe dieser inklusiven Führung gesellt sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Remote- bzw. Hybrid-Arbeitskultur noch die Kompetenz in der virtuellen Führung sowie das notwendige Know-how, Inklusionskompetenz auch virtuell zu entwickeln und anzuwenden. Denn Unternehmen müssen zusehends mit weltweiten Talenten arbeiten, die ihre Kulturen nicht verlassen und in das Land des Unternehmens ziehen, trotzdem aber interkulturell agieren müssen. Sie müssen virtuell ins Unternehmen integriert werden. Das zeigt: Gute Führung war noch nie so vielschichtig und anforderungsreich wie heute. Richtig ausgeführt war sie aber wahrscheinlich auch noch nie so gut.

Die Talente haben mit ihren Anforderungen die Unternehmen vor einige Herausforderungen gestellt und werden das weiter tun. Gleichzeitig sind die meisten Forderungen auch kein Hexenwerk, erfordern jedoch von den Unternehmen und ihren Führungskräften ein Umdenken. Gerade das Top-Management muss mit Expertenwissen und Renommee für ihr Know-how zu Inspiring (Digital) Leaders werden, also zu strahlkräftigen Vordenker:innen. Gepaart mit gutem Führungsverhalten können sie so jene Inspiration liefern, die die Mitarbeiter:innen erwarten, und ihnen das Gefühl vermitteln, Risiken eingehen zu dürfen, um Ideen zu verwirklichen. Natürlich sollten die Risiken nicht derart sein, dass sie die Zukunft des Unternehmens aufs Spiel setzen. Aber auch das gehört zu den Führungsaufgaben: zu vermitteln, welche Risiken es wert sind eingegangen zu werden – und welche eben nicht.

Kein Risiko sollte es heute mehr sein, dem Wunsch nach Flexibilität bei Ort und Zeit nachzugeben; hier sollten vielmehr die Führungskräfte den Austausch untereinander suchen und durch Schulungen – auch zu interkulturellen Kompetenzen – ihr Wissen und Handwerkszeug erweitern.

Die wichtigste Erkenntnis für Unternehmen ist daher, dass es mehr denn je auf die Kompetenz ihrer Führungskräfte ankommt, um Mitarbeiter:innen zu akquirieren und vor allem zu halten. Gerade im Tech-Bereich, aber auch in anderen Kompetenzfeldern, sehen wir, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte Talente aktiv werben und nicht darauf warten, dass diese sich bewerben; dafür braucht es jedoch die Vertiefung der oben genannten Fähigkeiten. In der Konsequenz zieht sich der dadurch notwendige Wandel quer durch alle Abteilungen im Unternehmen und erfordert letztlich auch einen Wandel der Unternehmenskultur. Das ist keine leichte und keine schnelle Antwort, mit der sich die Herausforderungen des Fachkräftemangels ad hoc lösen lassen. Doch langfristig werden die umfassenden Führungskompetenzen der Schlüssel zur Gewinnung von Top-Talenten und damit zum Unternehmenserfolg sein.

Nur zufriedene Talente sind gute Talente

Quelle: Christian Severin

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