Nach dem Bewerbungsgespräch nicht antworten? Diese Strategie kann sich rächen…

Das »Ghosting« kennt man eigentlich vom Dating. Dort bezeichnet der Begriff das Verhalten von Menschen, die sich trotz anfänglicher Annäherung irgendwann einfach nicht mehr melden – ohne ihrem Gegenüber mitzuteilen, was zum Kontaktabbruch geführt hat. Doch dieses Phänomen gibt es nicht nur auf Tinder – auch in der Arbeitswelt greift es um sich.

Aus den USA gibt es Zahlen, die das Jobportal Indeed 2019 in einer Studie veröffentlicht hat. Dort gaben 69 Prozent der befragten Unternehmen an, dass Ghosting in den zwei Jahren vor der Befragung erstmals aufgetreten ist. Insgesamt waren 83 Prozent der Unternehmen schon einmal von einem Bewerber oder einer Bewerberin geghostet worden.

Das Ghosting kann dabei unterschiedliche Formen annehmen. Auch die Ghoster selbst wurden in der Studie befragt: Die Hälfte von ihnen gab an, schon einmal nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen zu sein, 46 Prozent hatten nicht mehr auf Nachrichten reagiert. Nicht zum ersten Arbeitstag erschienen waren 22 Prozent.

Berichten zufolge verschwänden aktuell drei bis vier von zehn Bewerbern irgendwo im Laufe der Bewerbung. »Interessanterweise umso mehr, je weiter der Bewerbungsprozess vorangeschritten ist«, Sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben sei, ghosteten jedoch wieder weniger Arbeitnehmer.

Warum Arbeitnehmer wegbleiben

Die Gründe fürs Ghosting sind unterschiedlich. Einige Bewerber möchten mit ihrer Absage den Personaler nicht vor den Kopf stoßen, und melden sich deswegen nicht mehr. Andere Jobsuchende unterschrieben sicherheitshalber einen Arbeitsvertrag beim Arbeitgeber der zweiten Wahl und hofften, dass sie doch den ersehnten Job beim Wunscharbeitgeber bekommen. Komme es so, sei der Zweite-Wahl-Arbeitsvertrag für sie hinfällig, und sie zeigten sich niemals am Arbeitsplatz.

Klar muss den Ghostern allerdings auch sein: So eine Aktion kann Folgen haben. Denn Ghosting kann massive Kosten verursachen, die umso höher sind, je später der Bewerber sich rar macht. Ein geschwänztes Bewerbungsgespräch ist für einen Arbeitgeber zwar ärgerlich und kostet Zeit, erscheint der neue ITler jedoch nicht zum geplanten Projektstart, kann der Schaden beträchtlich sein.

Eine verbindliche Absage ist deshalb auch aus juristischen Gründen unerlässlich. Ein Termin zum Vorstellungsgespräch ist nicht rechtlich bindend, ein unterschriebener Arbeitsvertrag dagegen schon. »Der Mitarbeiter ist dann verpflichtet zu erscheinen, sofern keine Gründe für das Nichterscheinen – zum Beispiel eine Krankheit – vorliegen«, mahnt Christian Michels, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Mainz. Dem unentschuldigt fehlenden Mitarbeiter drohen Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers und, sofern wirksam vereinbart, Vertragsstrafen für jeden Tag des Nichterscheinens.«

Unverbindlichkeit wird bestraft

Doch auch wenn man sich schon aus dem Staub macht, bevor ein Vertrag unterschrieben ist: Mit Ghosting können sich Bewerber*innen selbst ein Bein stellen. Der Arbeitgeber, der heute uninteressant ist, kann morgen den Traumjob ausschreiben. Bewerber, die schon einmal das Unternehmen geghostet haben, versperren sich eine Tür.«

Daher raten Experten zu einem offenen Gespräch. »Manche Unternehmen wissen gar nicht, dass die Mitarbeiter*in oder der Bewerber*in unglücklich ist.« Einige ändern die Rahmenbedingungen, um den Mitarbeiter zu halten oder suchen nach einer anderen Lösung. »Das geht aber nur, wenn der Arbeitgeber weiß, was er ändern soll. Wenn es trotzdem nicht passt, kann man immer noch eine Freistellung oder einen Aufhebungsvertrag vereinbaren – besser als zu ghosten!

Quelle: Der Spiegel